Das Märchen von der „Lohn-Preis-Spirale“

Heute trifft sich Olaf Scholz mit den Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden und wird mit ihnen über die aktuelle Situation reden. Energieknappheit droht, kriegs- und pandemiebedingt sind Lieferketten gestört oder zum Erliegen gekommen. Die Preise steigen massiv, insbesondere jene für Öl, Gas und Lebensmittel. Das trifft vor allem Menschen mit geringem und mittlerem Einkommen. Um die Kaufkraft zu halten, müssen Lohnsteigerungen mindestens in Höhe der Inflationsrate her.

Sobald Gewerkschaften ebendies kundtun, wird von Einigen vor der „Lohn-Preis-Spirale“ gewarnt. Also davor, dass höhere Löhne für eine erhöhte Nachfrage sorgen und damit die Preissteigerungen weiter anheizen.

Doch was meinen Neoliberale und Konservative, wenn sie von der sogenannten “Lohn-Preis-Spirale” sprechen und warum ist diese eher ein Märchen als eine Tatsache?

Menschen am unteren Ende der Einkommensskala werden zu Verzicht und Zurückhaltung aufgerufen, als hätten sie zuvor jahrelang in Saus und Braus gelebt. Zumeist kommen diese Forderungen von Leuten, die sich wenig Sorgen machen müssen, wie sie den nächsten Wocheneinkauf oder die Heizkostenabrechnung stemmen.

Die Gewerkschaften sind in den vergangenen Jahren nicht durch unverschämte Ansprüche aufgefallen. Genau das wird aber suggeriert, wenn von einer „Lohn-Preis-Spirale“ gesprochen wird. Verzicht und Zurückhaltung sollten stattdessen die üben, die von Krieg und Krise übermäßig profitieren. Für die aktuelle Preisentwicklung sind nämlich nicht die Verbraucher*innen oder Beschäftigten verantwortlich. Wenn überhaupt, ist also umgekehrt eine „Preis-Lohn-Spirale“ zu befürchten.

 

Wir solidarisieren uns mit den Beschäftigten und fordern von Olaf Scholz, dass er die Gewerkschaften bei ihrer Arbeit unterstützt. Im Vorfeld hieß es aus dem Kanzleramt, dass man „im Rahmen einer konzertierten Aktion“ die Problematik lösen möchte. Sollte der Kanzler gemeinsam mit den Gewerkschaften den Arbeitgeberverbänden ins Gewissen reden, können wir hoffen, dass diese „konzertierte Aktion“ sogar gutes bewirkt.

 

Felix Wilsberg